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Klaus Tappe

Klaus Tappe

Ein deutscher Footballspieler in Tennessee:

1.2003: Mittwoch, 26. November 2003
"Ich bin hier gläubig geworden" Der Berliner Footballspieler Constantin Ritzmann über sein Leben in den USA und den Traum von der NFL
Von Frank Weiss
Knoxville, Tennessee ist nicht gerade der Ort, der für den amerikanischen Traum steht. Für Constantin Ritzmann allerdings könnte er hier beginnen. Der ehemalige Spieler der Berlin Adler absolviert derzeit sein letztes Jahr an der Universität von Tennessee. Dass er im Dezember seinen Abschluss in Sportmanagement macht, dürfte für den 23-Jährigen nur Nebensache sein, denn als Kapitän eines der renommiertesten College-Football-Teams der USA steht er vor einer Karriere in der Profiliga NFL. Ritzmann wäre der erste deutsche Feldspieler in der besten Football-Liga der Welt. Am vergangenen Wochenende bereiteten dem Defensive End 100 000 Fans im Neyland Stadion von Knoxville im letzten Heimspiel gegen Vanderbilt (48:0) einen großen Abschied. Mit der Morgenpost sprach Ritzmann über seine Zukunft, die NFL und Amerika.
Interview mit der Berliner Morgenpost
Berliner Morgenpost: Herr Ritzmann, am Wochenende haben Sie ihr letztes Heimspiel bestritten. Wie war Ihr Gefühl?
Constantin Ritzmann: Es war ein komisches Gefühl. Doch eigentlich habe ich nicht viel darüber nachgedacht. Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich hatte fünf schöne Jahre hier, freue mich aber auch auf die Zukunft.
Berliner Morgenpost: Sie leben seit fünf Jahren hier, haben eine Amerikanerin geheiratet. Fühlen Sie sich als Deutscher oder Amerikaner?
Constantin Ritzmann: Ich träume zwar schon auf Englisch, fühle mich aber als Deutscher. Wenn es mit einer NFL-Karriere klappt, werde ich wohl in den USA bleiben. Wenn nicht, ist auch eine Rückkehr nach Deutschland denkbar, zumal meine Frau Christine ein wenig Deutsch spricht.
Berliner Morgenpost:Wie haben Sie sich in der Zeit in den USA persönlich verändert?
Constantin Ritzmann: Ich bin hier gläubig geworden. Der Glaube ist wichtiger als Football. Ich denke, Gott benutzt mich, er hat mich in diese Position gebracht, um sie sinnvoll zu nutzen. Ich versuche, viel soziales Engagement zu zeigen. Es ist erstaunlich, wie viel mehr die Kids auf einen Football-Spieler hören als auf den Pfarrer.
Berliner Morgenpost:Die Spiele ihres Teams besuchen im Schnitt 102 000 Fans. Was macht den Universitätssport in den USA so unglaublich populär?
Constantin Ritzmann: Das ist viel Tradition und es ist eben der Level vor den Profis. Ich glaube, für viele Leute ist es auch einfach wahrer. Dort wird noch wegen des Sports gespielt, als echtes Team. Den Profis wird dagegen unterstellt, es gehe nur noch ums Geld.
Berliner Morgenpost: Die Draft der besten College-Spieler durch die NFL-Teams findet im April statt. Wie ist Ihr Programm?
Constantin Ritzmann: Im Januar werden wir noch ein Bowl-Spiel haben. Dann werde ich mir einen Agenten suchen, denn das ist uns als Student verboten. Der wird mich dann in ein Trainingslager schicken, das auch von ihm finanziert wird. Im Februar findet dann das National Combine statt (Sichtungstraining der 32 NFL-Teams, d. Red.), zu dem die besten 300 College-Spieler eingeladen werden. Ich gehe davon aus, dass ich dazugehören werde. Hier gibt es die üblichen Athletik-Übungen, aber auch Intelligenz-Tests.
Berliner Morgenpost:Haben Sie Angst vor dieser entscheidenden Zeit?
Constantin Ritzmann: Nein. Ich habe in den vergangenen Jahren viele Spieler von uns gesehen, die es geschafft haben. Einige waren besser, manche auch schlechter. Da mache ich mir also keine Sorgen. Zumal in den letzten zehn Jahren meines Wissens noch jeder Team-Kapitän von uns in der NFL untergekommen ist.
Berliner Morgenpost:Aber wird es nicht härter?
Constantin Ritzmann: Ich bin gut vorbereitet, es ist auch nicht so viel anders. Der große Unterschied ist, man hat viel mehr Zeit, sich nur auf Football zu konzentrieren und kein Studium nebenbei zu bestreiten. Das ist dann dein Job, man macht nichts anderes.
Berliner Morgenpost: Gute Sportler erhalten Stipendien an den Universitäten, wie auch Sie. Wie ernst ist da noch das Studium?
Constantin Ritzmann: Wir sind in erster Linie Studenten, dann erst Sportler. Wir müssen auch einen bestimmten Notendurchschnitt halten, um überhaupt weiter Football spielen zu dürfen, das schreibt der Verband vor.
Berliner Morgenpost: Sie trainieren und spielen dennoch schon unter Profi-Bedingungen, dürfen jedoch kein Geld annehmen. In der NFL winken nun die Millionen.
Constantin Ritzmann: Darüber versuche ich nicht zu viel nachzudenken. Kommt etwas dazwischen, wäre die Enttäuschung zu groß. Natürlich wäre es schön, gedraftet zu werden und damit schon einmal zwischen 100 000 und einer Million Dollar nur für seine Unterschrift zu bekommen.
Berliner Morgenpost: Was ist, wenn es nicht klappt?
Constantin Ritzmann: Also erst mal sehe ich meine Chancen bei 80:20. Sollte mich aus irgendwelchen Gründen kein Team auswählen, würde ich es als Free Agent versuchen. Geht auch das schief, suche ich mir einen Job und nehme im Jahr darauf einen neuen Anlauf. Auch eine Saison in der NFL Europe dazwischen kann ich mir vorstellen. Zwei, vielleicht auch drei Jahre würde ich es versuchen, dann wäre es aber Zeit, etwas anderes zu tun. Mit meinem Abschluss werde ich hier immer Arbeit finden. Gerade in Tennessee gibt es viele Fans, die nichts lieber tun, als ehemaligen Spielern einen Job zu geben.
Unser Redaktionsmitglied reiste auf Einladung der NFL nach Knoxville.


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Vita: Constantin Ritzmann
wurde am 20. Dezember 1979 in Freiburg geboren und zog mit seiner Familie im Alter von 13 Jahren nach Berlin. Hier spielte er drei Jahre für die Jugend der Berlin Adler, danach ein halbes Jahr für die Hamburg Blue Devils in der Bundesliga. Über das NFL Futures Programm verbrachte er ein Jahr an der North Christian High School in Tallahassee, Florida. Nach überragenden Leistungen dort hatte er Angebote von allen großen Colleges der USA. Er entschied sich für den damaligen Champion Tennessee. Seine Familie lebt weiterhin in Berlin, sein Bruder Alexander ist Politiker und hat als Mitglied der FDP einen Sitz im Berliner Abgeordnetenhaus.

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Klaus Tappe
E-mail: tappe02@hotmail.com