Eigene Texte 6:

Eigene Texte 6
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Juni-August 1989

Sun.11.Juni ’89 - 17.58
Resume eines Abends
Wo sollte ich anfangen? Mit welchem
Eindruck enden? Was hervorheben?
Unterschiedlich heiter oder trübe waren
sie .. am Telefon hieß es “Der Tag war nicht
gut für mich.” Ein paar Stunden später,
draußen schien die Sonne, zeitweilig von
einem Wind erfrischt und von weißen
Wänden umrahmt: die Masse aus Beton,
die Balken und das benachbarte
Apartmentgebäude in den Blick
stellte. Ernst strömte die Matthäus-Passion
durch den Raum, verband sich mit weißer
Bluse und niedlichem dunklem Haar.
O-Saft als Kontrast und später Blues.
Eine Übersetzung H.Hesses und der Passions-
Text auf Deutsch lagen offen auf dem
länglichen, niedrigen Tisch. Fotos, wenige
und ältere, Städte und Landschaften, Moskau und Iberien. Keine üppige Eleganz und
keine Fashionstatements - ein Frühstück
am strahlenden Meer und ein Foto, das
-2-
sich klar und farbig von Geschichte
und Gegenwart löste und einen anderen
(Kon-)Text herstellte, ein weißes Jersey mit roten
Shorts, das wahnsinnig gut zum dunklen
Haupt und zur sonnenbestrahlten, vielleicht
ockerfarbenen ‘Adobewand’ paßte. Und was
die Haltung betrifft: den Blick ein wenig,
nicht ganz, vielleicht auch nur vorgetäuscht,
auf den (Boden) gerichtet, die Arme angewin-
kelt, bereit, die aktuelle, herausfordernde
Pose einzunehmen, das Stemmen der Hände
gegen die Hüften oder ‘Love handles’…,
bereit herauszuspringen aus dem Foto und sich
mal zu lebendigen Bewegungen wachzu-
rütteln. Ein ‘semi-defiant’ Ausdruck
im Antlitz, … die Welt soll nur kommen….
Kurzum: ein Bild, das mir sofort gefiel! Das (man)
gern und oft betrachten könnt.
-----Abstrakte und konkrete in Gedanken,
Worten oder Sprachen sich manchmal ver-
lierende Ideen, Träume und Wünsche.
Freiheit - in Ehen, Beziehungen,
-3-
Freundschaften, Bekanntschaften und mit
Unbekannten. Die letzten 20-30 Jahre im
Vergleich mit vorher! Welches besondere
Fühlen und Erfahren bringen uns die
oben genannten; leben wie in den 20ern
…. Oder wie vor der Ehe, vor anderem
….. einige Bereiche haben sich geändert,
manches geht weiter. Wir müssen für
uns, allein und mit den jeweiligen anderen
herausfinden, gestalten, wie uns
Leben am besten gefallen tut.
---------------------------------Zeit scheint zu eilen,
vor allem im Sommer, wenn viele auf
Reisen gehen. Und doch ist für manche
und für Wünsche noch Zeit vorhanden.
sich wiederholende und nicht immer ganz
so energiereiche Themen, Tänze in mehreren
Variationen, wortreich, Gestik und Dyonisos,
im Kampf, … Phrasen und mit Honig zu-
bereitet,… Eindrücke von Mundwerk,
Persönlichkeit und Background, gemischt
mit gespielter oder ‘echter’ Absicht.
-4-
Identität im Vormarsch, ein Haschen nach
Beachtung, Wärme oder Ähnlichem, das
Körper und Geist belebt. Ach zu kurz,
zu unvollständig die vielfachen Einflüsse
und Richtungen, die präsent waren.
Es wurde gewählt, für kurze Zeit-
spannen,… und manchmal nicht oder
nur im Ansatz, ein dunkles Führen
nicht bei der Hand…Müdigkeit, Denken
und Formen von Schweigen. Offen,
ungesagt…. bestätigt wurde ein Eindruck
oder Bild, das Orientierung gibt,
während das Vielfache - wie stets dabei -
den Weg zurück in Wort und Traum
einschlägt oder auf Pfaden der Zukunft
sich vom Licht(-zeichen?) wird überraschen
lassen.

Samstag, den 15.7.1989
Currywurst … kommt mir in den Sinn,
auf diesem alten Sofa, das Winter und
Wetter durchgemacht hat. Autos in
Mengen, ein gewisser Gleichstrom…und
Brunch, d.h. Essen liegt noch um mich
und in mir. Curry, Schaschlik, … sie
erwecken bestimmte Saiten im Gaumen
und breiten sich im ganzen Körper
aus. Nichts scheint appetitlicher;
obwohl von Hunger keine Rede sein kann,
bzw. sein sollte. Die gut gewürzten Brühwürste, die
aufgebläht scheinen oder die anderen, die
eher nach Kohlwurst und Mett drein-
schauen; Ersatz bieten sie nur zeitweilig
und ungenügend. Hier meldet sich
allerdings eine innere Stimme: gar manches
Mal auch in Deutschland, in Schnellim-
bissen, z. B. in Tübingens Fußgängerzone,
am Fuße des Hügels, sie künstlich
schmeckten, alte Haut um Massenverschnitt
- obwohl ….kulturell gefärbt sie eigent-
lich alle sind, diese Geschmacksempfindungen.

2.8.1989---12.49
Lex Barker - Ein Gesicht, das lange
nicht mehr gesehen worden war, erschien
plötzlich auf dem Bildschirm. Krimi-
Abenteuer…Karl May Filme hinterließen
Eindrücke,…..Zeit verging und dieser Film
wirkte komisch. Lag es an der Übersetzung
- zeitweise hölzern. Faustkampf statt
Vorsicht gegenüber Pistolen. Ein amerika-
nischer Flugkapitän auf Abenteuersuche
in Beirut. Schwer es oft ist heutzutage,
die Erinnerungen auseinanderzuhalten,…
waren es deutsche Schaupspieler oder gar
amerikanische, die diesen Film bevölkerten.
Auf Kanal 20; nicht im Hauptprogramm.
Am späten Morgen, wenn meist nebenbei
die Röhre mitgenommen wird, gab es
ein wenig Unterhaltung. Nichts tief-
schürfendes, aber ein wenig Abwechslung,
die Ferne schleicht sich ein, dringt in
unsere Erinnerung, in Körper und Geist,
mischt eine neue Lösung für unser
Verlangen. Weckt alte Bilder obendrein.

3.August 1989 3.13
A feeling like being high - … after
having stepped out of time;
time which - compared to a lot of
other peoples’ lives - wasn’t really
routine, habits and boredom.
Diving into two different worlds:
last night a visual and mental
trip to a cabin up north, lakes,
woods, accompanied by refreshing
mix drinks and extended by a visit of a local bar, a
wooden tavern, full of bikers,
pool tables and surrounded - on
the outside - by more expensive cars.
Having a beer in the wooded alley
and others smoked; we all laughed,
talked and attracted a neighbor whose
husband had passed away 2 yrs
ago, at a young age due to cancer.
Life? Dating - work in big concerns…
and looking for life. Although they
were aware of the ‘duties’ of the
-2-
following morning, job and life
were questioning themselves.
A beer pause and a controlled
drive back were followed by
a night full of dreams, sleep
and awakenings.
-----In a dreamlike state, I watched
a movie, drove down I-75 or -
should I have said - up, enjoying
the trip, the weather and wishing that my
family could be here. The world
of a hospital, that is, of an
appartment building where doctors,
nurses and researchers live. Up on the
8th floor - a view of Detroit…
a nice lunch and some tennis in
the blazing sun - seeing and being
seen - on the Court, in the Hospital
windows…patients can see and are
being seen, while they are taken care
of. Naturalness? A fast trip to
the biggest mall, filled with a few
cultural moments. Despite modern tech-
nology, communication has its problems,
friends don’t reach each other.
Social groups not far away - poorer
neighborhoods with a few houses
that form a transition, more radiant
with more recent newer paint. Further along,
a black supermarket; a jazz band
plays in honor of the people around,
it’s recreation time… A good
experience: a supermarket and only
one white person besides us. Diving
into a new world… taking in impressions
: slow service at the cashier’s, but
maybe more of a relaxed way of buying
and selling; liquid of a broken bottle
covering the floor; s.o. sent to clean it,
maybe to make it look like in other
supermarkets; actually, it was a
Farmer Jacks.

Kurztext - ohne Daten
A fast trip from Detroit to Ann
Arbor: adding to the conclusion
of life being weird again. Different
worlds were joined, paths opened,
were seen, but not chosen…..
decisionmaking - floating along ….
inner voice come to me, tell me
who it is … who it should be and
which worlds should be joined.

Mon., Aug. 7 -5.58
Rush hour - Gesichter fahren vorbei. Fast
ausdruckslos. Die Muskeln entspannen sich.
Fast nichts wird gedacht…Niemand starrt
einen an, beobachtet oder erwartet
diesen und jenen Zug. Lächeln, angespannt
arbeiten, beim Telefonieren das Gespräch
mit Mienen begleiten: ein Fragezeichen,
Ärger, Frustration, selten Zärtlichkeit….
vielleicht unbewußt die Nachbarn, die ‘Gegen-
über’ imitieren. Und jetzt - endlich die
Züge fahren lassen, die unterdrückten
ausprobieren, ob sie noch kontrollierbar,
ach herrlich, chaotisch….und plötzlich
4,5 Gesichter - die Macht des Büros, des
Geschäfts läßt nach: Fratzen, die Zähne
fletschend: Jetzt wird’s all denen gezeigt.
Wie gut das tut! Raus mit der Zunge.
Unsichtbar für die Kunden,
am Telefon - unsichtbar am Steuer
des Wagens. Dracula könnte nicht schöner
aussehen, nicht zufriedener sein - mal
hämisch lachen. Würden gerne aus dem
Fenster spucken. Und jetzt - im Nachbar-
-2-
fenster - links und auch rechts….
Zähne grüßen sich, beißen fast zu
und - innerlich tut’s wohl - es baden sich
die Gefühle.

Ohne Daten
Und wieder ist es soweit: Wohnungs-, d.h.
Zimmer- oder Haussuche. Der Blick fällt
auf die umliegenden Häuser. Wo mag die
neue Bleibe sein? In einem Einzelhaus?
Im South Main Apartmentgebäude - mit
einem kleinen Balkon? Es wäre nicht weit
- die Umstellung nicht so groß. Aber dies-
mal wühlt verstärkt die Notwendigkeit,
Geld zu suchen; die Ungewißheit, wann
und wieviel vorhanden sein werden.
Nach 2 Jahren einer gewissen Kontinuität
heißt es vielleicht: mit einem oder auch
einer Unbekannten zusammenziehen? Muß es
Ann Arbor sein? Ein Vorort Detroits - würden
dann die Finanzen langsamer fließen?
Allerdings bestände dann die Gefahr, daß die rostige
und löcherige Karosserie sich in alte
Einzelteile auflösen könnte. Abwägen
bringt Streß. Müdigkeit entspannt. Momen-
tanes Vergessen bringt keinen Fortschritt.
Vielleicht … Es ist ja möglich…daß House sitting
gebraucht wird,….daß ein Job hier in der
-2-
Stadt sich meldet. Lottoglücksfall -
wir sind ja noch in Amerika. Ideen
kommt - laßt euch verkaufen…..Erfahrungen.

Ohne Daten
Heute, vor zwei Jahren, fand der erste
Geburtstag statt, den er nicht mehr
Miterleben konnte…nach einigen Tagen
Ohne Café, die Trägheit, in gewissen
Bereichen, überwunden…den Platz wieder
Eingenommen und die Wichtigkeit dieses
Datums erinnert - mancherlei sich im
Kopfe gegenseitig herumwirbelnd: ein Roman
Aus der Fashionworld, Sprache…..flötengegangene
Jobs, die Zeit des Auszugs, die näher rückt
Und sich mit der Unwilligkeit verbindet,
Richtungen einzuschlagen. Spanisch-Englisch
-Deutsch lassen die Ohren erklingen,
spielen Saiten der Vergangenheit, damals
geweckte Wünsche, und winken unterschied-
lich stark aus der Zukunft. Untätigkeit
schlägt um sich, quält etwas und fragt
und fragt und fragt. Richtungswechsel -
Entscheidung.

From somewhere
Sometimes, if they don’t
Know, let them find a
Way.

-----------The officer

23.8.’89 ~13.56
Jane - ein Name ruft eine Erinnerung
hervor, von Zeit zu Zeit beim
Durchgehen der Vergangenheit zog
sie durch, oder wenn eine ihr ähn-
liche Person die Frage auf sich lenkte -
keine enthielt mehr Wahrscheinlich-
keit und doch…etwas zögernd der
Schritt, die Züge nur seitlich zwischen
Sonnenbrille und Profil sichtbar.
Hatten sich ernste Vergangenheit oder
….zum zweiten Male sie wanderte
vorbei, Profil von der anderen Seite,
aber nicht mehr Sicherheit, keine
Zunahme an Gewißheit, ob sie es war.
Kein Füllen der Zwischenzeit, kein Aufbau
von neuer Kontinuität des Kennens und keine
Veränderung der Konstellation, von Freunden
und Bekannten. Wird eines Tages sie auf-
tauchen unter veröffentlichten Kurzgeschichten
- vielleicht versteckt unter einem Pseudonym?
Wird es eine Art Dialog geben - unbewußt
über Sprachgrenzen hinweg? Wenn ja,
so nur in eine Richtung: Sprachbarrieren.

Mittwoch, den 10.8. 1989 10.38
10.15 - Gericht, strahlend blauer
Himmel, wolkenlos, eine Frau in Uniform,
deren Entscheidung es zu unterstützen
gilt. Eine halbe Minute nur dauerte
das letzte informelle Hearing - der ‘Offizier’
war nicht erschienen. Der Mann, chinesischer
Abstammung, nahm die Entscheidung des
Richters, den Fall zu verwerfen, sofort an.
Es war ersichtlich, daß er nicht
genau wußte, wie Hearings ablaufen. Nicht
zu erraten, was passiert war. 3 Möglich-
keiten: Verhaftung, Verkehrsverstöße und
kleinere Ansprüche. Warten, gespannt, dann
locker, die ‘Verkehrssünderin’ mit Freund
oder Bruder,…Allergie oder Weinen, ver-
schnupft war sie auf jeden Fall. Was
mag wohl Teil ihrer Welt sein, welcher
Druck lastete auf ihr, der paternalistische
strenge, väterliche, der Autos geben und
nehmen konnte, fast … nach Belieben.
Warten - Ausländer und hier geborene,
Einflüsse anderer Kulturen in diesem
-2-
Saal. Warten macht krank, wird
vergessen, stellt sich wieder ein und
draußen herrscht blauer Himmel. Gedanken
wandern herein, gelesene, besprochene…
Camus’ Fremder in seinen Lebensaus-
schnitten bei der Lektüre gefolgt. Die
Nacht vor der Hinrichtung? Nicht zu
vergleichen diese beiden Situationen, ab-
hängig von dem Maße, wie sehr negative
Resultate ins Visier genommen
und Körper und Geist durchfließen
werden. Wie nah, was wir Unwissen, die
Zukunft nicht lesen können, nennen und
das Wissen um den Hammer, der folgt,
beieinander liegen mögen, wie ähnlich
sie auf uns wirken? Handelt es sich
um graduelle Unterschiede, physisch,
biochemisch und gedanklich - emotional -
wie sehr erfassen sie, was in uns ab-
läuft, bzw. wir geschehen lassen, weil
die Energie uns fehlt, dauernd einzugreifen.
Warten - auf das, was kommt.

German-English Dictionary

.

Klaus Tappe

Klaus Tappe
E-mail: tappe02@hotmail.com