Und wieder war es soweit. Das Telefon
klingelte, nichtsahnend hob ich ab.
-----Weißt du, daß Frau …… gestorben ist….
Darum war er wahrscheinlich nicht da….
Und immer wieder vergessen wir, uns zu
fragen, was dahinter stand, was die Situation
mitbedingte. Erinnerungen an vor 2 Jahren,
an das einzige Mal, als ich jemanden vor
mir sah, der gestorben war. Nie werde ich
den Anblick vergessen. Und jetzt Frau
- ich hoffe, daß gar manche ihr heute die
letzte Ehre erweisen. Es wird nicht wie beim
Ayatollah sein, Andrang, tausendfaches
Klagen, Weinen, aber…in allen von uns
ist etwas von Staatsmännern und -frauen,
trotz mancherlei Kritik und Nichtmögen
(die uns alle begleiten), selbst Wittgensteins
Neffe wurde bedacht. Noch einmal sehen,
die Ehre erweisen oder einfach trauern,
trauern um einen Menschen, der vielen geholfen
der den Beruf gewählt hatte und stets
bessern wollte und dann wollend, müssend
sich andere Bereiche erkor. Momente, die
eine blaue Blume und Goethes zwei Herzen
in den Raum brachten, Literatur und Leben,
Academia in Übergängen - viele Leute ziehen
Grenzen, gegen andere, schaffen Schmerz und
Absurdität. Andere müssen viel Energie und
Mühe aufwenden, um dies Leben zu überstehen,
-2-
einfacher, besser und notwendiger wäre es (gewesen), sich
anderem zu widmen.
-----Wir, Engel und Bestien, gleichzeitig,
in Übergängen, bei möglicher Umkehr….
absurdes Sterben in Vietnam und anderswo,
….diese Zeilen begleiten die Nachricht, die
Trauer verhängte. Abschied von einem
Menschen, der sich nicht nur Gedanken
machte.
July 19, 1989 ~5.45 PM
Kunstmarkt und (Kaffee) Cafestunde im
Regen. Einige vertraute Gesichter: Elaine,
Hubert, Comp.Lit….Grau und naß verlief
der Tag. Totengottesdienst: bis zur Hälfte
geöffnet, gab der Sarg den Blick frei auf
die, die Abschied genommen hatte. So
macht man das hier, hieß es später, auf
einen erstaunten Hinweis…länger währte
die Besprechung von Bibelstellen, die Paralle-
len an Leiden und Weitermachen an die
Anwesenden weitergaben. Nur kurz, aber
dennoch treffend, erklang das Nachwort.
Gar manches hätte noch erwähnt werden
können, ihre Arbeit im Krankenhaus, mit…
und für andere … genannt wurde ihr
Kampf … viele wohl fragten sich, wie lange
er gedauert hatte, wie mühsam und schwer,
….tief wohl werden die letzten 7 Monate
empfunden worden sein, Erinnerungen an
Jugendzeit, an Kennenlernen und Zusammen-
wachsen klangen wohl an. Ein kleines
Geheimnis, vielleicht vom Gewicht, vom
verbreiteten Wortumfang her eher zu
tragen sie imstande waren. In schwieriger
Stunde, von Kaffee und unterschiedlich nahe
oder fern stehenden und mittrauernden
umgeben, ein guter Rat, eine Aufmunterung,
vielleicht etwas Ablenkung und Orientierung
-2-
für die eigene Zukunft dabei, beherrscht,
mit aufblitzernder oder sich andeutender
Menschlichkeit…und Wärme. Ein herzlicher
kräftiger Händedruck - in beide Richtungen.
Herzlichkeit, geradheraus Gesagtes, …ein
bißchen davon wird fehlen, von nun an.
und vergessen werden sollt' , wie schwer
ein Leben wiegt,…nicht nur an einem/diesem trüben,
regnerischen Kunstmarkttage.
Kunstmarkt - strategisch günstig plaziert,
ein ungeplantes Abwechseln - mit einem
Hausgenossen, schreiben, beobachten, bei
multiplizierten Eindrucksmöglichkeiten,
statt Dutzenden promenieren, eilen Hunderte
en masse… hey, you guys, are you familiar
with Espresso Royale…ungeachtet der
Altersstufen,…Chairmen gesellen sich hinzu
….gestatten sich, anbetracht der jeweils
anderen, aber nur ein kurzes Verweilen,
'high strung' 'personalities' im Durchzug.
Ruhen, sitzen statt sich durchzuwinden,
statt sich mitzubewegen, müde zu
werden auf der Suche nach Kunst,
zeitweise ergänzt durch inneres Abtasten
der Finanzen. Besetzthalten eines
Tisches, ihn nicht aufgeben, im Regen-
schatten halb entspannt, schreiben
wollend die Notwendigkeit erkennend,
sich anzutreiben. Zuviel Personal, sie
treten von einem Fuß auf den andern,
lächeln verlegen, die Routine fehlt,
zur Aushilfe und auch, um ein paar
Dollar zu verdienen. Abwarten, oder
sich einfach überraschen lassen, von
einem bekannten Gesicht oder interessanten
Ein- und Ausdrücken.
3 vereinzelte Flaschen Bier sangen vorbei
leicht angeheitert. Rolling Rock. Vielleicht
konnten sie für Pop gehalten werden,
Pop, Limo…alle anderen sind so
brav, so ruhig, denn sie wissen, daß
den meisten unwohl ist, aufgrund des
trüben Grau und der vereinzelten Duschen,
deren Stärke und Strahl mal fein, mal
voll eingestellt ist. Brav - trotz der
Konflikte, die hie und da im Ansatz
geweckt werden, wenn sich z.B. eine Familie
mehr Platz verschaffen will, um einen
Tisch, dem kaum Raum gelassen
worden war. Etliche Tische, im Wetter
erstürmt,.. ein junger Musiker, der seine
Anlage aufstellen und etwas Geld
erspielen will und gleichzeitig ein wenig
Kultur verbreiten soll. Gäste, die gebeten
wurden, ihren Tisch zu wechseln, zu
verschieben… Kultur - elektrische Gitarre…eine
gewisse Lautstärke…Zuhörer versammeln
sich, lassen sich von den Schallwellen
mittragen, eine verjüngte Runde. Ein Auf-
schrei, viele wenden fragend den Blick:
ein Feuerschlucker. Gehen - gehen - die
Blicke schweifen lassen. Fazit: nicht
umwerfend, aber doch vereinzelt
interessantes.
Di., d. 25.7.1989 -2.39
Die Ruhe nach dem Sturm. Die
Straßen sind frei. Angehende interna-
tionale Statistiker bevölkern die Cafes
und Bars. Die Intensität der Beobach-
tungen dieser Gruppe hängt allerdings
vom Kennen einzelner Teilnehmer oder
Veranstalter ab. Eine Fahrt nach
Detroit. Eine Deutschstunde vor dem
Urlaub. T.A. und Punk. Karl hatte
gestern Geburtstag. Eine Lücke im
Versicherungsnetz - und Wahl von
Staatsbürgerschaft. Seit einer halben
Stunde lächeln schon unbedeckte
freie Flächen und Augen suchen
Augen und wärmen das Fleisch. Offene
Wege, die nicht gewählt werden. Auf
sie wird nicht eingegangen. Unterschied-
lich stark wirken sie an den fol-
genden Stunden mit, wie auch Ein-
drücke der letzten Tage die obigen
Zeilen mitformten. Es zieht kühl von
der Decke, während draußen unter
dunstigem Himmel Schweißpartituren
gespielt werden. Sommerentspannung
- und immer suchen und spielen die Sinne.
Fr., d. 28.7.1989 -3.48
Bankfurt, so wird sie anscheinend auch
genannt. 1992 wird zu einer magischen
Zahl, gar manche werden sie eine böse
nennen…. Wer entwickelt die Stadt, ver-
wandelt sie in einen Ort, an dem ein
Stadtteil alle anderen verdecken, d.h.
verschwinden lassen wird. 'Frankfurt's
High Rise Debate' - gelesen in gar
manchen US-Städten, von Deutschen,
Amerikanern und anderen Nationalitäten.
Studenten- und nicht Unistadt;
Städteplanung - als Unterschied die
Masse, bzw. geringe Zahl an Unternehmen
und Geschäften, die Druck ausüben
und Aussehen und Ruf verändern.
Beton oder Grün, bleibt oft ungefragt.
Und zum ersten Mal ein Stand der
Grünen auf dem Art-Fair. Stadt und
Mensch, muß es zu Gegensätzen
entwickelt werden? Wie würde der Blick
auf die Achselhöhle wirken, wenn nur
Beton als Kontext diente und nicht etwas
Natürlicheres, der Blick reist durch
die Scheibe, ergreift Bäume die zur
-2-
Diag führen, Autos, Fahrräder, Spazier-
gänger neben einem grauen Sommer-
himmel, der eine kleinere, von der Sonne
bestrahlte blaue Fläche dem Blick anbietet.
Suchend kehrt der Blick immer wieder
zum Tisch im Winkel, draußen vor
dem Café zurück, zur Sonnenbrille, die
die Locken krönt und ganz in der
Nähe zur freien Höhle lagert. Wo
vor einer Weile die 'Geschichte der
Kaffeebohne', bzw. ihr Verfasser saß…
Hat sich eine Bedienung aus Thanos
niedergelassen, die zur Tanz- oder
Schauspielschule nach London unter-
wegs ist. Erneut wach werdendes
Interesse, nach längerer Pause…wird
wohl ins Nichts geschickt werden.
Eine Erscheinung, die irgendwie zu
meinem, aber auch zu dem Stadtbild
anderer Leute gehört. Arbeit im Del Rio -
eine Info, die mit wenigen sonstigen
Bits kombiniert wird. Offen lassen,
heißt es für den übrigen Lebensaus-
schnitt, für Gegenwart und Zukunft
- Stadt, Natur und Mensch.
Stoff verschiebt sich, aus Höhle wird
weiße Rundung und 'wissenschaftlich'
definierte Vorfreude baut sich auf.
Erfahrungen der Vergangenheit, physisch
gefühlt, stellen sich ein, Tasten, in
ihnen Leben fühlen, sich selbst erleben…
Sommerzeit - was steht in den Sternen:
ein Verweilen oder ein Verlassen dieser
Stadt, welche Temperaturen warten,
in der Berufswelt, der der Künste oder
wie ist es zu deuten, das Umarmen der
Bekannten, Freunde, Freundinnen…ein
einfaches Wiedersehen, wieviel Zeit ist
vergangen, wieviel Abstand durch Erfahrun-
gen der Zwischenzeit oder gar Intensi-
tät des Kennens,…vielleicht eher ein
momentanes Aufflackern, geboren im Augen-
blick, in der Konstellation all der
Bits, die zusammentrafen und sich
verbanden. Fragen und Fragen - je müder
wir sind, je mehr mit uns beschäftigt,..
und je mehr wir vom Wunsch, Wert und Wahrung des
Privatlebens erfahren -
Desto geringer wird ihre Zahl…auch
im Café, am Freitagnachmittag und
im Sommer.
-4.26
Fallacis Worte über Vietnam, über das,
Was Leben ist und Krieg und Mensch,
Begleiten mich in diesen Tagen. Aber,
Wie schon ihre Zeilen es erkannt haben,
Mal ist's stärker, mal schwächer und
Oft gar nicht präsent, was wir sonst
Um uns zu haben schienen. Wir denken
Und sagen, daß es doch da sein müßte
Und so…und gerade fuhr Clara auf
Einem Fahrrad vorbei, die 'Southern Belle',
Die gar manche Male im Jahr kontrol-
Lierte Waghalsigkeit vorführt, beim
Fliegen. Und die kühle Luft der Zentral-
Heizung, nein der Klimaanlage…sie läßt
Die T-shirtarme wie im Winter unangenehm
Auf Gedanken und Gefühle wirken.
All dies begleitet den Blick, der wieder-
Holt zum Wunsche sich einpendelt, Hinder-
Nisse in der Richtung umspringen will
Und Abstand und Nähe, Wärme und Kälte
Reguliert. Existenz - 20 Jahre danach…
Wie sehr mag, was damals geschah, in
Diesem Augenblick in den Köpfen der
Mich umgebenden präsent sein, wie schwer
Oder unangenehm kühl - oder einfach
Abwesend?
Sonntag, den 30.Juli 1989
Ein kühler Wind rauscht - viele
Wagen ertönen auf der jetzt wieder
trockenen Straße. Ab und zu klingelte
das Telefon. Fast lautlos bewegen sich
vereinzelt Radfahrer vorbei - schwer
zu sagen, in welcher Beziehung sie zum
Rennen stehen, das heute stattfand. Vielleicht
handelt es sich um ein Auspendeln, ein
Auslaufenlassen der Rennbeine. Eine einzige
Nummer radelte vorbei - keine Werbe-
maschinerie, keine bis hierherdringenden
Lautsprecher. Nummern, Namen - was
werden sie bringen; was lassen wir
sie schaffen. Rotes Sweatshirt - einer
entspannten Generation, weiche und
gleichzeitig schnelle und starke Bewegungen.
Wohl nicht Dauer, aber doch Über-
raschung und Frische luden die Momente
auf. Eine gewisse angenehme Spannung
zieht ein und durch und durch. Wie
lange mag sie anhalten oder sich bei
allen darauffolgenden Begegnungen
verschiedenster Menschen einmischen und
integrieren, unbemerkt, -bewußt aufgenommen
dann aber mehr bewußt dabei, im Spiele
unserer Träume und unseres Handelns.
So., den 6.8.1989 6.47
Stundenlang dem stürmischen, kühlen,
in manchen Augenblicken auch warmen
und dann wohltuenden Winde aus-
gesetzt, der mich - sich mit dem vorbei-
ziehenden, sonntäglichen Nachmittagsver-
kehr zusammentuend - nicht vollständig
an den Spieler übergab…zeitweilig
mag es auch an der englischen Über-
setzung des Textes gelegen haben, die
verschiedene kulturelle Welten ungeplant
zum Teil mindestens - aufeinanderstoßen
ließ….andererseits trug auch der Text
dazu bei, in dem gar manche Natio-
nalitäten mit Sprache jonglierten, ein
Spiel, eine Wirklichkeit, die Lesern
nur in Form von Worten auf der
Seite Papier und damit
verschlüsselt, nein eher hinweisartig,
zur Verfügung steht. Leidenschaft -
Beziehungen … Dostojewski führt
sie vor. Wie viele Schreibende - in not-
wendiger Verkürzung - als ein Modell
von Leben … hie und da drängen sich
mir Sprachzweifel auf; … Der sich so
sehr bemühende Autor weist vereinzelt
darauf hin, daß seine Worte, d.h. er, ich
nicht erfassen mögen, wie Leben
-2-
abläuft,….er versucht zu beschreiben,
der Text wird spannend, Leser vertiefen
sich…und doch ein Rest an /'Mystik'/ bleibt.
Klaus Tappe
E-mail: tappe02@hotmail.com