*zum Teil auf mehreren Notizblöcken im gleichen Zeitraum geschrieben, deshalb ist die Chronologie aufgehobenDienstag, den 18.4.1989 -17.10
Die Reise, auf die ich mich begeben hatte,
indem ich es wiederlas, das dreißigste
Jahr. Vieles hatte sich meinem Gedächtnis
so vollständig entzogen gehabt, daß es wie
oft gesagt, zum einen Ohr rein und zum
anderen wieder hinaus verschwunden war,
vielleicht hatte meine innere Stimme, oder
eher im Verein mit der 'äußeren' nicht laut
genug erschallt, oder vielleicht hatten die
Worte kein Signal ausgelöst, das ein inten-
siveres Sich-Draufstürzen auf den Zusammen-
hang ausgelöst hätte; wie dem auch sei,
trotz vereinzeltem Abschalten, Auslassenwollen
von Zeilen, bin ich doch etliche Male erstaun-
lich fest in dem Ablauf, in der Problema-
tik, ja in der Situation verhaftet gewesen.
30 Jahre Alltag, geordnete Bahnen, oder
wie sehr präsentiert sich uns unser Leben
in Ausnahmen für uns oder auch gar für
andere. Durch Zugunglück und Autoun-
fallhindurch, hängt es doch immer wieder
davon ab, ob und wie kräftig wir mit-
reisen, welchem Gefühl oder Gedanken
wir nachgeben und ihn sich ausbreiten
lassen.
Mon., 9.1.1989 -11.28
Fliegen - ein modernes Abenteuer? -
Wie bei vielen anderen technischen Vehikeln
und Maschinen, müssen wir Autos, Fähren und
fliegenden Transportmitteln vertrauen. Wenn wir
drüber nachdenken, kommen uns Bilder aus
längst vergeß'nen Winkeln ... und auch als
Verbindung jener und Bildern, die uns unsere
Phantasie verschafft, indem sie das jeweilige
Gefährt in ein kaputtes, gerade zerstörtes
verwandelt.
-----------------Sei es, daß wir sie jeden Tag
benützen und keine Zeit haben, die uns
ein Verspüren von Abenteuer, einen Hauch
davon erleben macht; oder ein paar Mal pro
Jahr, - relativ selten im Vergleich mit Autos,
Fahrrädern oder Pedes, so daß andere Eindrücke
den Flug umgeben und frühere nur kurz
aufwecken.
------------ Abenteuer - woran denken wir, was
fühlen wir? Crocodile Dundee? Robocop?
Salaam Bombay? Unerwartetes im Gefühl
von Sicherheit, Aufwachen unserer schlafenden Sinne,
die sonst durch Alltagsgewohnheiten Streß kontrollieren?
-----Neue Eindrücke, uns belebend, anregend für
alles, was in uns ist, was wir sind:
ein Sonnenbad im Winter, andere Gesichter,
Stimmen und Wärme...Abenteuer - was heißt das Wort.
14.1.1989 Fr.-Sa. 2.55
Wir werden wir, wenn viele Zutaten und
Gewürze zusammenkommen, von Überlegungen beim
Kartenspiel, gemischt mit Jubel oder ein wenig
Enttäuschung, über Neugierde vorm Fernseher,
leicht gedämpft bis leise und spannend,
und Versunkenheit auf dem Weg durchs
Studentengewühl, das sogar im Winter
leckere Kühle und kauende Sonnenringe
in unterschiedlichen Formen und Gewichten
der mal heitren, mal ernsten Backform zur
Aufnahme dient. Ein Löffel Schneeflocken, dann
ein Minisee unterm Reifen, die eigene Entdeckung
auf dem spiegelnden Boden....wir, was sind unsere
Zutaten, unsere Gedanken; nicht nur Worte, auch
nicht Gefühle, eher beides gemeinsam, was nicht
in Worte paßt. Und manchmal ertönt eine
Melodie, die Großvater sang, und Mutter, oder
auch Vater, und Tanten, andere Kinder und
das Radio. Ein Hauch von Plattenspieler, gefolgt
von sanften und schnellen Kassetten, ach und
vorher spielte an manchen Orten ein Tonband....
es spielte, gesungen wurde harter Rock, .....Zeit
ging spazieren, für manche von uns raste sie,
von Zeit zu Zeit, oder backte langsam, steigen
tat der Teig in luftigere Höhen; aus anderen
Jahreszeiten ein ausgleichend wiegender Rhythmus
wurde bald begleitet von Stoffen schwarz,
Sinn verbreitend, der Stück für Stück gegessen
wurde, einige spuckten, vergaßen, daß und was sie
gegessen haben, sei's Gras, eine Rose oder das Gegenteil.
-2-
von Quiche. Selbst wenn wir Geschmack
entwickeln, ihn verfeinern, oder ohne Messer und
Gabel, mit Tischdecke und Kerze, ein Gramm
Bild, ein Ausschnitt aus dem neusten Super-ego
ist bei allen dabei, bei den Speisen, den essenden
Speisen.
---------------Und vom Feinsten, vom weniger Feinen,
vom Apfel.,.und Schulterstück zum kleinsten
Körnchen, von allem ernähren wir uns täglich,
wenn Sein backt's Bewußtsein; wir alle dinieren
in Bildern, denken in Suppen und eine Art
Verstand spielt Koch.
In der Nacht vom 1. zum 2.Februar:
Mississippi - Channel 50, als es dunkel
war, als die meisten schliefen.......und
nicht sehen konnten, diese Möglichkeit also
verpaßten, oder vielleicht gar nicht haben
sollten, da dieser Film ja keine einfache
Unterhaltungskost bietet, nichts, das eine
Person, nach schwerer körperlicher oder
ermüdender geistiger Arbeit, oder einfach
nach Verrichtung dessen, was einem die
Wahl (?) von Beruf und Arten zu leben auf-
lud, eine Wahl oft ohne viele Alternativen,
vor allem, wenn Aussehen oder Herkunft
nicht ins Bild mancher Leute paßt,...... .
Jahre ist es her, daß King die Leute
aufweckte, sie und die Fernsehschauenden
in vielen anderen Bundesstaaten darauf
aufmerksam machte, - was mag wohl damals
in Arkansas passiert sein, ähnlich oder
anders; gar manche erzählen, daß noch heute
vielen das Lernen vorenthalten wird, daß,
Anderssein und Andersleben gar nicht
so verschieden sind (?),.....es ist wieder Zeit,
alle zu daran erinnern, was damals geschah,
an Mord, Zusammenschlagen und Vorgericht
stellen - wofür, nur dafür, daß sie machten,
was alle eigentlich hätten machen dürfen ....und die,
die schossen, tranken und Aggressionen ent-
luden und dadurch viele verletzten,.........
lächeln und schlagen, mit gutem Gefühl
-2-
Sich nichts schlechtes dabei denkend,...die
anderen sind ja nicht....
------Verstehen, Sehen, Offensein für Tränen,
ernste Mienen, sich lockernde, lächelnde
und frei auflachende, gar kichernde....
wie wär's mit Grölen - oder hört da
die Befreiung auf, löst es vielleicht
gar doch angesammelte Gefühle, Ärger,
dessen Ursprung nicht bekannt einfach
auf einen oder mehr ....Sündenbock
gelenkt wird....(?)
-----Mississippi Burning - erinnert er uns,
erinnern wir uns? Und warum 'erinnern'?
Auf welchem Punkt der Zeitebene
befinde ich mich gerade, während
ich lese, blicke ich um mich, sehe in
die Runde der Studierenden, derer, die
bei Krogers,...Jacobsen oder anderswo
einkaufen. Wer kauft ein? Und wer
verkauft mir etwas, bzw. steht an der
Kasse? In der Kinoschlange, neben mir
im Footballstadion, beim Basketball und
gar Schwimmen? Gemischter Kraftraum
und bunte Aerobic und .....lächelnd
kommt die Menge im Rückblick, tausende
marschierten, den kurzen Weg, gemeinsam,
solidarisch, in Polen und hier. Freier, ange-
nehmer, wohler - etwas zu Hause, auch hier.
Sa., d. 11. Februar 9.20 PM
Was ist Wirklichkeit? Was ist Fiktion? -
ist es nur eine Vorstellung, wenn ich meinen
Bruder und meine Schwägerin - diese Erinne-
rung kam mir eben - in ihrer - ja man
könnte sagen - Stammkneipe sitzen sehe,
sehe, wie sie nebeneinandersitzen, ein Alt
trinken, oder, was bedeutet das, wenn ich
denke, überlege, daß er eine Altbier-
bowle bestellt, vielleicht, weil ich sie in
den letzten beiden Sommern so gerne trank
und ihn beeinflußte, ihn in seinem Geschmack,
ihn erst darauf brachte.... Was für
Wünsche in solchen Erinnerungen oder Vor-
stellungen gar versteckt sein mögen...
ich hätte ja auch eben sagen können,
sie sitzen da, wirklich; wie groß ist der
Unterschied, welche Wirkung wird auf
Leser ausgeübt, in wieviele Richtungen
kann er oder sie...sich bewegen.
Was verknüpft sich in uns - zum Anfang
zurückgekehrt z.B. mit dem Begriff 'Wirklichkeit',
was stellt sich ein? - Literarische Über-
legungen oder einige der Kritik oder .....
Da ist jedenfalls die Möglichkeit des
Sich-Versetzens, ein Wunsch auch, wie
wäre es, wenn ich diese Erinnerungen
-2-
nicht hätte,....die Zukunft wäre ohne
d i e s e n Wunsch.........Individuelles hier/an?
zeigt sich, eine andere Fortsetzung entfiel
mir, daran, wie sehr er Entscheidungen
beeinflußt, wie sehr wir gemachte
Erfahrungen, entwickelte Wünsche wählen
lassen und in einzelnen Augenblicken
Grade zwischen Zufriedenheit (bis hin
statt und) Unzufriedenheit erfahren:
ich trinke gerade ein Bier mit ihnen.
Wed., Febr. 21, 1989 - 1.15
Weiße Linien hatten die Konturen des Baumes
und seiner Äste nachgezogen,...wie nur selten in
diesem Jahr. Zuviel Schlaf oder schale, trockene
Luft trübten die Augenglieder, moderne Technik
wärmte zusätzlich die drei von außen durch-
lässigen Wände, die sich im Laufe der Nacht
beträchtlich abgekühlt hatten.
-----Die Dusche wärmte sich in kurzer Zeit auf,
(ein lange gehegter Traum mußte noch warten,
....auf einem bequemen Sessel eine wärmende
Kopfmassage....) und als Früstück seit ein
paar Tagen Peanut Butter und Jelly.
-----Langsam näherte sich die Lektüre. Viele
Einzelheiten in mystischer Kritik wurden neu
verbunden und verleibten sich der Erinnerung
manchmal ein. Und doch - innerlich regte
eine Kraft zum/ein Abschalten an. Bezahlte
Arbeit unterbrach die Seiten. Und später ein
Telefonanruf auch: neue Arbeit, Geld....
-----Kroger rief, Proviant erschien im Einkaufswagen,
Gesichter liefen vor der Kamera auf und ab
und der zähe, mühsame Kampf mit dem Buch
wurde fortgesetzt, bis jemand knurrte.
-----Die Arbeit erschien nicht, das Telefon klingelte
2x, aber niemand meldete sich....auf und ab
im Hause schritten das Buch und die Hände,
die Notzen fielen aus....ersparen sich möchten
nicht nur die Finger, die Arme, die Augen
und die Stirn diese Arbeit: Nein, der Kopf will so schaffen.
Do., d. 23.2.1989 -11.00
Kommentar zum Leben eines Bahnwärters -
zum fiktiven, obwohl der Kritiker Post
mit dem Wort 'Mann' jene Stelle oft besetzte.
Am Ende von Posts Urteilen angekommen,
oder wäre es richtiger von 'Annäherungen'
zu sprechen, stellt sich die Frage: was nun?
Einen neuen erfinden, den alten erneuern
oder (die) Begriffe wie Auto- und Biographie
und literarische Figur abschaffen, ein neues
Wort kreieren...Hauptmann, Post, der jetzige,
der im Schaffen begriffene Autor - Grenzen,
die wir ziehen können und stets anwenden.
Minuten vergingen, der Sessel wurde nicht
bequemer, Unbekannte und gewohnte
Gesichter wählten den Weg an der Tür-
öffnung vorbei, .... und nicht nur Butor hätte
Momentaufnahmen der einzelnen Vitae kompo-
niert. Eine innere Melodie der Sinne begleitete
meine Fotos und Gedanken, die sich mir
einschnitzten. Prof. Braun stattete einen Besuch
ab, ließ sich informieren, über den gestrigen
Vortrag und somit eines seiner Lieblingsthemen.
-----Eine interessante Biographie mit nur leicht,
wenn überhaupt, angedeuteter Frage in Bezug
auf die Anwesenheit des verborgenen Zuhörers,
bzw. Dialogpartners, die durch die Blickrichtung
meiner Worte angezeigt wurde,...sie eilte vorbei.
Neu in der Nähe angesiedelt, eine Stellung
-2-
eingenommen, im System von Beziehungen und
alltäglichen Gewohnheiten, ein System von noch
offenen Wegen. Und wieder passierte die
vita 'colora', wie ein Deja Vu, zweifach und
sogar mehr. Fragen, raten, das zu Sehende
vervollständigen, die Hin-Weise, die Zeichen
lesen und ein Spiegel-Bild eintwerfen -
wie mag es wohl ausgesehen - und geschmeckt
haben. Ach so reizvoll es ist, dies Spiel
mit möglichen Vitae.
Fr., d. 24.2.1989 -12.29
Teil 2:
Literarische Figuren, berühmt, als Vorgänger
von Texten, während die Zahl der weiblichen
erst langsam korrigiert wird, in Texten gar
mancherlei Art, sie, die früher lebten, sie,
die wissenschaftliche Disziplinen vereinten,
in ihrer Existenz, betätigten sich schreibend,
essend und trinkend. Sie bedeuteten; Worte
suggerieren Inhalte für sie, aber dennoch:
Ablauf in der Zeit, das, was sich da regte,
mit anderen verkehrte, Worte waren sie nicht!
Und als das Video lief - und wir davor
saßen, Ausschnitte dieses Lebens aufnahmen,
aufeinander bezogen, die Familienmitglieder
sich und ihn vorstellten: er, der 1949 im
südlichen Frankreich, wie gar manche vor
und nach ihm, nach einem stolz - nobel -
ertragenen, fast Außenseiterdasein, von Hotel zu
Hotel lebend/-te??. Mit dem berühmten Schatten
hatte er zu kämpfen, sich herausschreiben
wollte er, eventuell sollte/mußte sein Ausleben auch
von Seiten seines Vaters, von dessen nur im Werk
oder in Gedanken verwirklichten, dieses Ziel
ihm erreichen helfen.??? Leben zum Wendepunkt,
oder wie entstand er, er, die Entscheidung
auf Seiten der Alliierten zu kämpfen, .... schwer
und absurd mußte es ihm vorgekommen sein,
die Prozeduren zur Erlangung der Staats-
-2
bürgerschaft. Fragende Normen, auf die
nur mit Verschweigung, ja eher Verleugnung
zu antworten war. Wendepunkt - war es
die Einsicht, daß ein Herausschreiben zu
Lebzeiten des Schattens unmöglich und weder
die frührere von der Bourgeoisie, d.h. von
bestimmten Sprachrohren, als dekadent
eingestufte Lebens-Philosophie noch ein
politisches Engagement eine Befreiung oder die
gesuchte Welt darstellte, war sie es, oder
hatte er sein Energiereservoir ausgeschöpft,
oder trug der Abstand, den Thomas zu
seinen Kindern einhielt, Abstand und Weg-
lassen von wärmenden Gesten und Worten,
von Zeichen der Liebe, die die Position und
Haltung des jahrelangen Beobachters ausschlos-
sen,....hätte er verringert oder übersprungen
werden können, um zu verhindern, was nach
wiederholten Versuchen endlich gelang
und im Tagebuch, librum vitae, in so
bestürzendem Abstand 'getadelt' wurde.
Di., d. 7.3.1989 -7.00 (Cafe? --> Blind Pig)
Der Anfang ist nicht der Anfang, obwohl
die Worte auf dem Papier nur weitere nach
sich ziehen,.... Hochblondes, gestyltes Haar,
(es vergrößert das Profil des Kopfes, verstärkt
die/ihre Dominanz), ja ihre Stimme, klingt einiger-
maßen (wie wär's, wie würde ich ankommen, bei
den Leuten in dieser Bar, doch meine Stimme
...... aber (nur In Sinnesschwinungen, ein unklares,
eigentlich kein Bild: aussehen, ich - sie, wichtig,
verdrängen).
-------Hi, are you? Yeah! Ja. O.k. beim nächsten
Set kannst Du es probieren. Hier Tony, das ist
...... Jackie. Hi! Hi! O.K. Bis gleich dann!
Scheint ja gut anzufangen. Ganz nette Typen!
Sie kennen wohl schon einige Leute hier, ob eine
von den zwei schwarzen Frauen an der Bar wohl
auch 'ne Probe gibt? Dieser Tony spricht ziemlich
angeregt mit ihr, macht wohl einige Witze,
(wer beeindruckt hier wen? ist es einschüchternd,
tritt die eigene Identität zurück?)
-----Die Pause dauert lange, nicht schlecht, cool,
vielleicht ist das Ganze nicht so stressig.
Hey, Jackie, komm wir wollen anfangen.
Hab' ich eine Chance, Tony hatte der einen Frau
von der Bar noch die Instrumente gezeigt (ihr die
Bühne näher gebracht, den Wunsch nach Auftritt
- und allem, was so dazugehört), ran ans Mikro,
ich kenne den Song.... (ich fühl' mich schon besser,
da tanzen schon welche, zwei junge, toll.
-2-
(die Sinne heben sie hoch, ernüchtern sie, dann
wieder aufwärts), zwei Songs, das war's schon?
- Na ja, vielleicht hab' ich Glück, ob die Blonde
wirklich aufhört, was muß ich wohl tun, um
Erfolg zu haben,...wie mich die Band wohl
findet. Ihnen zulächeln. Ah, jetzt kommt
die von der Bar, sieht ganz gut aus, auch schwarze
Lederkleidung. Vielleicht hätte ich auch kurzes
Leder tragen sollen, hier für so einen Auftritt?
Letzte Woche, das Lokal, da trugen die meisten
Leute Jeans, das war gut, locker. Na ja, ich geh'
zurück zur Lehne, die Bar und Tische trennt,
da kann ich gut sehen, was läuft.
-----Hi, gehören Sie zur Gruppe? Nein, ich kenn'
den einen Typen, er hatte mir gesagt, daß sie jemanden
suchen. Ich dachte mir warum nicht, wird schon
schiefgehen, was soll's. War gut, Sie haben eine
nette Stimme. Danke, das tut gut. Woher
sind Sie? Aus Jackson, kenne ich, war ein paar
Mal dort,.... Ganz interessant, so'ne Atmosphäre,
.... Haben Sie Lust zu tanzen? Klar (Tony und die
anderen sollen mich sehen, sich an mich erinnern, wenn
sie sich entscheiden,...), laß uns nach vorne gehen,
hier, das ist gut, (ihnen zulächeln, sieht er mich.
Tony, guck doch. Mist, die andere scheint gut anzu-
kommen. Muß mich mehr hineinsteigern, gutes
Gefühl? Was? Ja, ganz nett. Möchten Sie
was trinken? Ja, gerne. (War gut, vor ihnen zu
-3-
zu tanzen, könnte helfen.) Ja, das hoffe ich
auch, vielleicht klappt es (der Typ ist ganz nett,
aber.....) Bis gleich, ich muß mal eben verschwinden.
Darf ich bitten? (Gut gekleidet der Typ)
(Warten, darf ich, nur einen Song)
Sehen sie mich - ja, Jim sieht her, nicht,....) Blues
- eng wird getanzt, Welten schneiden sich, sehen
sie sich tanzen, wünschen, entscheiden sie sich über
die Richtung, die sie einschlagen, folgen sie den Weg-
weisern, welchen?) Nicht so schlecht die Band,
nicht wahr? Ja, ganz gut. Danke, Ach, der
andere Typ ist gegangen. Pause, soll ich noch
mal mit denen sprechen, ob sie mich wohl anrufen.
Blöd, dies Warten-müssen, ach egal, übermorgen
geht's noch zum Crazy Horse, etwas mehr
Country, aber vielleicht haut eins von beiden
hin. (Träume, Auf und Ab, Alles offen. Was
mach' ich jetzt.)
Di., d.14.3.1989 -1.00
Frühlingstemperaturen und Sonne wärmen
die Gesichter der Passanten, liegt es in der
Luft, die Saat, die Würze oder handelt
es sich um Licht, das Freude und
Strahlen verbreitet.....
---------------------------- Während vereinzelt
winterliche Kontraste den Rang von
Wärme noch erhöhen. Wünsche werden wach
nach mehr, von der Substanz, die Leben
ist. Licht und Wärme, nur minimal
sie unterscheiden sich von einem zum
nächsten, einer zur anderen, je nach innerem
Kamerawinkel. Oder wirkt hier Arbeit
nach; auch minimaler Fortschritt bei
größerer Einsicht mag Helligkeit auf-
tauchen lassen, die Zahl der Sympathien
wird größer,..... ein Jahr, das anders
ausschaut als sonst, und nicht nur das
traditionelle Ideal einen frischen Touch
aufweist.
---------------Die Augen fliegen, rasen, springen
und ruhen auch manchmal, aufeinander,
Konturen springen in die Kamera, doch
ist dabei, im Observieren, gar oft ein
Fünkchen harter Verstand, der ab-
wesendes ins Gedächtnis, als Mangel,
und ungewünschtes zum Fokus erhebt.
Wenn abends Pat Schroeder zum Nach-
denken anregt und hunderte Geschichte probieren.
So.-Mo., d.20.3.1989 -12.35
Es gibt Augenblicke, in denen Leute, die
sonst gerne Platz um sich haben oder vor-
geben, sich welchen schaffen zu können,
wie Sardinen erscheinen: so z.B. als Teil
vom Panel, hinter zwei länglichene Tischen, eng,
obwohl es doch möglich wäre, die Stühle aus-
zubreiten, sich Distanz zum Schwitzen, d.h.
zum und vom zu schaffen. Und ein Stuhl
bewegte sich tatsächlich, ... eine weitere Person
holte Auskunft ein und konnte sich im
ziemlich leeren Übergangsbereich nieder-
lassen.
-----------Ein Ausweg aus der Lage, die nicht
von allen wahrgenommen wurde, der Griff
zum Mikrofon, das Wettmachen des
vielleicht mit noch weniger Ohren umgebenen
morgendlichen Debattierens....ein Hinweis auf
Belehrungen seitens Ulbrichts, die dann
vom gleichen Sprecher verständlicher- und
doch unverschämter Weise imitiert wurden.
Emotionen zum Wachrütteln, Aufmerksam-
machen auf die kleineren östlichen Länder,
die schließlich auch da sind....und doch
Monopolisierung des Publikums, das keine
Wahl hatte, als den Raum zu verlassen,
meistenteils dies aber doch nicht tat. Und dann
doch ein Aufflackern von Diskussionen, Debatten...
Th, March 30, 1989 -1.05
Existenzsorgen verbinden sich oder wechseln
sich ab mit Statusfragen, Bindungen, die
wir entwickelt haben, oder solche, an
denen wir weniger Anteil haben, die
aber dennoch stark sind, wie Nationalität
und Erinnerungen an Verwandtschaft,....
zerreißen, als Bild auswechseln oder einfach
andere Worte einsetzen,...die Dinge
weiterlaufen lassen, ein 'weniges' tun; oder
völlig angespannt, die ganze Energie und
Aufmerksamkeit einsetzen, Angst vorm
Fehlerfolg empfinden und es vielleicht
schaffen...Trennung schmerzt, das ist
altbekannt....doch immer wieder neu es
aushandeln die, die durch Büroapparate'
und 'anonyme und konkrete' Gesetze
weitere Grade moderner Verfremdung
mitmachen, nervlich, gedanklich verdauen
müssen. Einzelne Menschen sind dabei,
grüßen, vollführen gewohnte Bewegun-
gen und wir fühlen uns wohl, erkennen,
finden uns und Bekanntes wieder.
Es ist nicht nur die Abwehr von Neuem
und das unbedingte Festhalten am Alten,
nein, sondern Leben, das in Begleitung von Vertrautem auf die
Suche von neuem geht. (nach?)
Ohne Daten
Amadeus, Erinnerung an Länder, Sprachen
und Menschen werden wach, sprechen in
uns, während es sicher viele gibt, die wenig
dabei empfinden, die nur denken: ein Name
wie manch' andere Unbekannte. Fragen sie
sich, was das Wort wohl verbergen mag,
verbergen, nein, eher meinen sie Besitzver-
hältnisse, jemand oder etwas besitzt einen
Namen und nicht umgekehrt.
-----Oder Espresso Royale, für Leute, die im
Kaffee Reisen unternehmen, sich vom Geschmack
- begleitet oder nicht von Proustschen Regungen
und Lenkungen - auf den Wogen von Erinne-
rungen gar mancherlei Art, an Länder, die
vom Kaffee leben und die andere Länder
existieren lassen, an Wärme und Sonne; und
es ist nicht nur europäische Cafekultur,
die von Thomas Bernhard so treffend beschrieben
wurde, dessen 'starke' Formulierungen auf
gar manche Gäste abstoßend wirken (können)
während andere nur eine sogenannte
Scheibe zu sich nehmen und sie auch etwas
genießen können, nein nicht nur europäische, unter ihnen
besonders französische, mit Bildern von
farbigen, wortreichen Zeitungs- oder Konver-
sationsmomenten getränkten Straßencafes, nein Bilder
Brasiliens, aus Rio und anderen Städten
tauchen aus der Oberfläche von Mokka,
-2-
Espresso und Capuccino auf, spiegeln sich,
ändern ihre Konturen, zeigen Möglichkeiten
und locken/rufen die angenehmen Düfte aus längst
vergessenen Winkeln unseres Gedächnisses hervor.
Sun., April 16 -23.35
3 konkrete Personen im Sinn, in 2 Departments,
bei denen ich mich fragte, wie sehr sie von
dem Material, mit dem sie sich seit Jahr-
zehnten beschäftigt haben, beeinflußt, ja
geprägt wurden; und auch wie sehr trotz*
historischer Veränderungen, die täglich hin-
zukommen, eine gewisse Kontinuität im Denken,
Fühlen und Handeln besteht. Von Montaigne
bis ins 19.Jahrhundert, Montaigne und das
20., ein wenig Skepsis und etwas Zynismus,
einfaches Lächeln, ein Schuß Überlegenheit,
ein paar Orientierungspunkte zum Festhalten
und bei allen, mehr oder weniger, das
Halten zum Menschen,
--------------------zu welchen wird oft gefragt, mit
Recht, Worte, die bei und in uns sind, seit
den ersten Jahren, die uns formen; 2 Pole
fielen mir ein, die die Geschlechter und
die Menschheit so festlegen, Pole entwickelt
in gar mancherlei Situationen, Erfahrungen
mit Eltern*, Freunden, Freundinnen, Bekann-
ten und Unbekannten, Leuten um uns,......
-----Härte und Weichheit - wie sehr mögen
sie, mehr als andere......, und doch mit
Kontext, Persönlichkeiten, nett, brutal, zurück-
haltend, laut um sich greifend, usw.,
auch Beziehungen, Liebe, Ehen in ihrer
Essenz geschaffen haben und auch
weiterhin füllen, würzen und erfrischen.
Do., d. 20.April 1989 -16.40
Kaffee und immer wieder Kaffee, heiße
Schokolade mit einem krausen Ball Sahne
und jetzt Osaft. Der Preis spielt, wenn
überhaupt, nur in winzigen Mengen bei diesen
Entwicklungen mit. Die Gewohnheit hat sich
aus dem ursprünglichen, dem ersten Besuch
des Ortes und der Wahl jenes Augenblicks
herausgebildet; leicht und schnell wurde
sie vertraut, gar angenehm und ab und zu,
ein Fanatismus, ein Verlangen, das gestillt
werden mußte; im Begriffe, unsere eigene
Biographie zu wählen, auszufüllen, verwand-
delt sich oft eine Wahl in etwas, das schon
immer so gewesen zu sein scheint.
Tiefe - gar manche Leute mögen denken,
daß intellektuelle Dinge auf dem Grunde
des Getränks entdecken, ja sich diesen
sogar entfernen können, um die Tiefendimen-
sion der Existenz und - in Ausnahmefällen -
der Erdkugel näher zu rücken. Die Intensi-
tät einer Mundfüllung Eis statt Tiefe,
wer hätte sie noch nicht gekostet, und
dann erst den Verlust von einer Sekunde
zur nächsten, verschlungen, auf Boden
oder Kleidung geparkt, geworfen oder
gar auf einem Tische in der Sonne
sich auflösen sehen - alt und jung fast immer im Spiel.
Klaus Tappe
E-mail: tappe02@hotmail.com